Pontische Liedertexte

Zusammenstellung und Übersetzung: Jannis Korosidis und Monika Weiland


Pontisch ist irgendwie anders als Griechisch – es sei ein ionischer Dialekt, heißt es. Nun denn. In jedem Fall ist es selbst für KennerInnen der griechischen Sprache ein unmögliches Unterfangen, Pontisch zu verstehen – abgesehen von einigen eingedeutschten pontischen Ausdrücken wie "Kartoffel" und "Pantoffel".
Deshalb möchten wir hier eine kleine Auswahl von Liedern, die bei Jannis besonders oft gesungen und natürlich auch getanzt werden, aufschreiben und versuchen, sie ins Deutsche zu übersetzen.
Wer einen besonderen Wunsch hat, melde sich bei uns. Wir werden versuchen, in Zusammenarbeit mit Jannis, die Texte herauszutüfteln und die deutsche Bedeutung herauszufinden.

Weil wir, aus Gründen der Lesbarkeit für Browser, auf die griechische Schrift verzichten (die des Griechischen Unkundige ja auch wenig nutzt), bieten wir hier eine kleine Aussprachehilfe zu unserer lateinischen Schreibweise an:

  • th = englisches stimmloses "th" wie in thank you
  • dh = englisches stimmhaftes "th" wie bei "this" oder "that"
  • gh = weiches stimmhaftes "ch"
  • sh = ziemlich dünnes "sch"
  • sch = „s“ + „ch“ getrennt ausgesprochen
  • Vokale mit Akzent bezeichnen die betonte Silbe

Seránta míla kókkina (Omál)
Esí temón to akriwón (Omál)
I kor epíen son pachár (Dipát)
Sípa sípi  (Dipát)
Ta strátas nte' porpáname  (Tik Diplón)
Rashópoulon  (Tik Diplón)
Étere (Étere)
So kalíwis olóera (Embropís)
Tryghóna (Trygóna)
Pipilomátena (Pipilomátena)  

   

Seránta míla kókkina (Omál)

Seránda míla kókkina, púlim
seránda míla kókkina, jáwrim
s' éna mandíl deména. (2 x)

Seránda séwdas ki' án eftás, jáwrim
seránda séwdas ki' án eftás, púlim
ki' ewríx amón eména. (2 x)

Ja éla éla púlim
metemén éla jáwrim
ató to matoteremás púlim
tha sir ke per tachúlim. (2 x)
 

Vierzig rote Äpfel (Omál)

Vierzig rote Äpfel, Vögelchen
vierzig rote Äpfel, mein Schatz
in ein Tuch gebunden. (2 x)

Auch wenn Du vierzig Liebesabenteuer hast, mein Schatz
auch wenn Du vierzig Liebesabenteuer hast, Vögelchen
findest Du keines wie mit mir. (2 x)

Na komm, Vögelchen
komm mit mir, mein Schatz
dieser Blick aus Deinen Augen
macht mich verrückt. (2 x)

Natürlich gibt es hier unendlich viele Strophen, die wir nicht alle wiedergeben können. Zum Mitsingen ist es aber doch ein Anfang.
Púlim ist auch heute ein geläufiges Kosewort; auf Neugriechisch heißt es: puláki

 

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Esí temón to akriwón (Omál)

Esí temón to akriwón esí temón to énan
óndes noíso érsheshe érte págon to émam.

Refrain: Ánixim ke tsitsákim parcharí manusákim
málamam ke chrisóni énan ke manachóni.

Esí temón i thálassa ndo pan ke' erchún papória
an thelts férnemen tin charán
an thelts férnemen sória.

Refrain: Ánixim ...

Esí amáranton tsitsák ki cháte i emorfías
fogúme tha matiásnesen tsi chóras to kurfías.

Refrain: Ánixim ...


Du meine teure Geliebte (Omál)

Du, meine teure Geliebte, du meine Einzige,
wenn ich an dich denke, bringst du mein Blut in Wallung.

Refrain: Mein Frühling meine Blume, meine Bergblüte,
Pures Gold, mein Schatz, meine Einzige.

Du bist wie die See, wo Schiffe kommen und gehen,
wenn du es willst, bring' mir Freude,
wenn du es willst, bring' mir Sorgen.

Refrain: Mein Frühling ...

Du nie welkende Blume, deine Schönheit ist unvergänglich,
mir ist bange, dass die Schmeichelworte der Menschen dich verzaubern werden.

Refrain: Mein Frühling ...

Der Ausdruck in der zweiten Zeile: Érte paghón to émam bedeutet wörtlich: mein Blut wird eiskalt. Gemeint ist genau das Gegenteil, eine innere Hitze, so wie wir vieles cool nennen, wenn wir eine heiße Sache meinen.

 

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I kor epíen son pachár (Dipát)

I kor epíen son parchár, e! e! púlim, púlim (2 x)
na ínetä románna, éla éla léghose. (2 x)
Ke játaten tha ínume, e! e! púlim, púlim
ke kinighós ormáne, éla éla léghose. (2 x)
Állo ki páo son parchár, e! e! púlim, púim (2 x)
állo ki parcharéwo, éla éla léghose. (2 x)
Àllo ki légho ke jeló e! púlim, púlim (2 x)
állo ki mascharéwo, éla éla léghose. (2 x)


Ein Mädchen geht hinaus (Dipát)

Ein Mädchen macht einen Spaziergang auf dem Lande, he Vögelchen, Vögelchen
um frei in der Natur zu sein, komm, komm, sage ich dir.
Und für sie werde ich, he Vögelchen, Vögelchen
Jäger in den Wäldern, komm, komm, sage ich dir.
Nochmal gehe ich nicht auf's Land, he Vögelchen, Vögelchen
nochmal mache ich keinen Landspaziergang.
Ich rede nicht mehr, und ich lache nicht mehr
und ich scherze nicht mehr, komm, komm, sage ich dir.

Pacharéwo ist schwer zu übersetzen. Es kann sowohl bedeuten, jemand zieht durch die Gegend, man geht auf's Land oder macht einen Spaziergang in der freien Natur. Románna bedeutet freies Mädchen oder Naturkind, das neugriechisches Wort rumáni heißt Wald.
Bei der Interpretation und dem Verständnis eines Liedtextes ist eben auch immer etwas Einfühlungsvermögen und Fantasie angesagt – insbesondere wenn die pontisch-griechische Seele romantische Gefühle ausdrückt.

   

Sípa sípi (Dipát)

Sípa Sípi kardiá' mu matón' ónera
láschket' ápan sa parcháre sa kriá nerá. (2 x)
Káthum' óras ke nuníso míkron púlopom
tin anásas n' árte krúi apán so prósopom. (2 x)

Na terísme ke na schkísme maschér kofterón,
na saschéwo na mi xéro pú' kes na teró, (2 x)
na tromáso ke na stéko ámon ianziiús,
na anígho ta scherópam ke ki' apés na rus. (2 x)

Na' rschese ghriwónz apánim na schpings na tsitónts
ta tertá nto ín apésim ólia na larónz. (2 x)
Na' galiás ke na filísme apán so kintín
ta schiliás na ìn so stómam us na tha wradhín. (2 x)

Poch poch (Dipát)

Sipa Sipi schlägt mein Herz, wie ein blutender Traum
kehrt es zurück ins Gebirge (in die Natur) zu den kühlen Quellen.
Stundenlang denke ich daran, Geliebte,
wie dein Atem sich nähert und mein Gesicht streift.

Deine Blicke spalten mich wie ein scharfes Messer,
sodass ich verunsichert werde und nicht weiß, wohin ich schauen soll,
erschrecke und stehenbleibe wie ein Stab,
bis du in meine ausgebreiteten Arme fällst.

Komm und halte mich fest, presse mich an dich und strecke dich aus.
Die Qualen in mir kannst du völlig heilen.
Umarme und küsse mich, in der Abenddämmerung
sollen deine Lippen auf meinem Mund sein, bis in die Dunkelheit.

Sípa sípi umschreibt lautmalerisch das Gefühl, wenn das Herz heftig pocht.

 

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Ta strátas nte' porpáname (Tik Diplón)

Ta strátas nte' porpáname ólia kopán jeróma (2 x)
tha láschkume ke chtísata arním galdurumópa. (2 x)

Ke nt' épathes arnópo mu ke kordiláis to fríde (2 x)
eghó paschkím eskótosa tin mánas jiam' ton kíris. (2 x)

Temón i pschin ki' o thánaton arním se sá ta schéra (2 x)
an thelts me t' ángelts éparto an thelts me ta maschéra. (2 x)
.



Auf den Wegen … (Tik Diplón)

Auf den Wegen, die wir zusammen gehen, werde ich schmutzig und von Weidenruten geschlagen.
Ich werde zurückkehren, mein Schäfchen, und kleine trockene Wege anlegen.

Was ist dir geschehen, du runzelst die Brauen,
als hätte ich deine Mutter und deinen Vater getötet.

Meine Seele und der Tod liegen in deinen Händen, Geliebte,
wenn du willst, nimm sie mit zu den Engeln, wenn du willst, mit den Messern

Arním bedeutet Schäfchen und ist – wie pulìm – ein Kosewort.

   

Rashópoulo (Tik Diplón)

Rashópoulo tha inoume sa rásha tha jiríso (2 x)
sa kládhopa tha káthoume kai tha helidoníso. (2 x)

H dhísa eféken ta pasha ke kátsen sa kaména (2 x)
trighónam afs' ta kíroukas ke élameteména. (2 x)

Ta strátasis pollá makrá ta ghónatam ki tsíso (2 x)
tha páo ke tha érhoume to kárdopos tha ktíso. (2 x)



Bergvogel (Tik Diplón)

Ein Bergvogel werde ich sein, der ins Gebirge zurückkehrt,
ich werde auf den Zweigen sitzen und wie die Schwalbe sein.

Der Nebel steigt von den Bergen herab und legt sich auf die verbrannte Erde,
Meine Trighóna, verlass' deine Eltern und komm mit mir.

Der Weg, dich zu gewinnen, ist so weit, doch meine Knie sind unermüdlich,
ich komme und gehe, und so mache dein Herz für mich schlagen.

Tryghóna ist die Turteltaube, hier aber als "meine Liebste" (aghápi mou) zu verstehen. Ihr ist ein eigener Tanz gewidmet (s. u.).

 

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Étere (Étere)

Étere, pérnixon me (2 x)
to tsarkúli m' dígo se. (2 x)
To tsarkúli s' ki thélo (2 x)
állon táman táxon me. (2 x)

Étere, pérnixon me (2 x)
to sonári m' dígo se. (2 x)
To sonári s' ki thélo (2 x)
állon táman táxon me. (2 x)

Étere, pérnixon me (2 x)
to mandíli m' dígo se. (2 x)
To mandíli s' ki thélo (2 x)
állon táman táxon me. (2 x)

Étere, pérnixon me (2 x)
to letschéki m' dígo se. (2 x)
To letschéki s' ki thélo (2 x)
állon táman táxon me. (2 x)


Gefährte (Étere)

Gefährte, bring‘ mich hinüber,
ich werde dir mein Kopftuch geben.
Dein Kopftuch will ich nicht,
du musst mir etwas anderes versprechen.

Gefährte, bring‘ mich hinüber,
ich werde dir meinen Gürtel geben.
Deinen Gürtel will ich nicht,
du musst mir etwas anderes versprechen.

Gefährte, bring‘ mich hinüber,
ich werde dir mein Taschentuch geben.
Dein Taschentuch will ich nicht,
du musst mir etwas anderes versprechen.
 
Gefährte, bring‘ mich hinüber,
ich werde dir mein großes Tuch geben.
Dein großes Tuch will ich nicht,
du musst mir etwas anderes versprechen.

Étere bezeichnet einen Gefährten, einen Freund oder einen guten Kollegen, mit dem man zusammen ist und auf den man zählen kann (vgl. auch die Hetäre, die den Männern eine Gefährtin war - nicht nur in erotischer Hinsicht, sondern auch als kluge Gesprächspartnerin, Begleiterin und Beraterin in vielen Lebenslagen und -fragen). Tsarkúli (gr.: mandíla) meint das übliche Kopftuch. Mandíli ist ein kleineres Tuch (nicht unbedingt nur ein Taschentuch, das hier für die Übersetzung herhalten musste). Letschéki (gr.: tsempéri) bedeutet ebenfalls ein Kopftuch, unterscheidet sich aber in der Größe.

Das Lied hat noch viele weitere Strophen, wo das Mädchen verschiedene Schmuckstücke als Lohn für die Überfahrt anbietet. Aber der Gefährte akzeptiert sie nicht.

 

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So kalíwi olóera (Embropís)

So kalíwi olóera schiriso traghodhóse (2 x)
amón anixijnón pulím pánta tha kelaidhóse. (2 x)
O! O! O kaiménon o spurjítis pánta láschketen alítis.
Pósa forás emónases emén pulím so spítis. (2 x)

An éxeres trighóna mu ke témon tin kardían (2 x)
as engaliópos ap' eskés ke wghálesme kamían. (2 x)
O! O! O kaiménon o spurjítis pánta láschketen alítis.
Pósa forás emónases emén pulím so spítis. (2 x)

Pollá écho na léose sa schílam ín ghramména (2 x)
tha archin´o ke léosen arním ap' énan énan. (2 x)
O! O! O kaiménon o spurjítis pánta láschketen alítis
pósa forás emónases emén pulím so spítis. (2 x)





Um dein Häuschen (Embropís)

Rundherum um dein Häuschen pfeife und tanze ich,
wie ein Vogel im Frühling jubiliere ich dir zu.
O! O! Der arme Sperling kommt immer wie ein Landstreicher nach Hause.
Wie oft, mein Vögelchen, hast du mich mit in dein Haus genommen.

Wenn du in deinem Herzen wüsstest, mein Täubchen,
ließest du mich nie mehr aus deinen Armen.
O! O! Der arme Sperling kommt immer wie ein Landstreicher nach Hause.
Wie oft, mein Liebling, hast du mich mit in dein Haus genommen.

Vieles, was ich dir sagen möchte, steht auf meinen Lippen geschrieben.
Nach und nach werde ich es sagen, mein Schäfchen.
O! O! Der arme Sperling kommt immer wie ein Landstreicher nach Hause.
Wie oft, mein Liebling, hast du mich mit in dein Haus genommen.

Puláki mu, tryghóna mu, arní mu (mein Vögelchen, meine Taube, mein Schaf/Lämmchen) sind Ausdrücke, mit denen der/die Liebste angesprochen werden. Um den sprachlichen Reichtum zu erhalten, haben wir sie in der Übersetzung so belassen. Möglich wäre natürlich auch mein Schatz, mein Liebling, mein ..., was die Fantasie hervorbringt. So "naturbelassen" zeigt die Übersetzung aber deutlicher, dass solche Kosewörter geknüpft sind an die jeweiligen Daseinsformen (hier z. B. sehr mit der Fauna verbunden).

   

Tryghóna (Tryghóna)

Akí péra sormanótan i tryghóna i koróna, (2 x)
ésteke ke píne xíla i tryghóna i koróna.
(2 x)
Ta xilás ésan oxéas i tryghóna i koróna. (2 x)
Ándrasats éton mixéas i tryghóna i koróna. (2 x)
Porpatí ke pái omália i tryghóna i koróna. (2 x)
Tortarópats arnomália i trygóna i koróna. (2 x)
Porpatí ke pái tikía i tryghóna i koróna. (2 x)
Ta malópats in tiftíkia i tryghóna i koróna. (2 x)
I trygóna me tanzía i tryghóna i koróna (2 x)
pái sormán saréw tsatsía i tryghóna i koróna. (2 x)

Tryghóna (Tryghóna)

Dort hinten im Wald, das Täubchen, die Krone
sammelt sie Holz, das Täubchen, die Krone.
Das Holz ist von der Buche, das Täubchen, die Krone.
Ihr Mann ist ein Taugenichts, das Täubchen, die Krone.
Sie geht aufrecht und ohne Umwege, das Täubchen, die Krone.
Ihre Strümpfe sind aus Lammwolle, das Täubchen, die Krone.
Sie geht stolz vorüber, das Täubchen, die Krone..
Ihre Haare sind zerzaust, das Täubchen, die Krone.
Trygóna mit den schönen Beinen, das Täubchen, die Krone,
geht in den Wald und sammelt loses Holz, das Täubchen, die Krone.

Trygóna ist natürlich auch eine Turteltaube, doch hier wird die Bezeichnung als Koseform für die angebetete Frau eingesetzt (deren Mann ja ein Taugenichts ist).

 

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Pipilomátena (Pipilomátena)

I Pipilomátena oi anathemátena.
Ki an kidhitemátena figadhiaso m'átena.
Ti patúlas i maná témon i kalómana.

E pedhía, do léte páme si hamélete,
kléftomen énan koríts, kánan tídhe mi léte.

Aghapó i nan kutschí, p' aghapá ti kalatsín.
Ki époro na pératen so spitím enán wradín.

Pipilomátena (Pipilomátena)

Mandeläugige, ich verwünsche sie.
Wenn ihr sie mir nicht gebt, fliehe ich mit ihr.
Die weißhaarige Frau Mutter ist meine Schwiegermutter.

He, Freunde, lasst uns zur Mühle gehen,
rauben wir ein Mädchen, sagt niemandem ein Wort.

Ich liebe ein Mädchen, doch sie liebt das Geschwätz,
deshalb kann ich nicht eine Nacht mit ihr in meinem Haus verbringen.

Pipilomátena ist eines der vielen Schönheitsideale, mit denen eine Frau einen Mann betören kann: mandelförmige Augen; in vielen Liedern noch getoppt, wenn ein olivenförmiges Muttermal vorhanden ist.

 
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